Normale Praxis
Ein Betriebsrat kann laut Betriebsverfassungsgesetz in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern grundsätzlich alle 4 Jahre gewählt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass dies die Belegschaft weiß und will. Wahlzeit ist 1998, 2002, 2006 usw. jeweils vom 1. März bis 31. Mai - also finden z. Z. in sehr vielen Betrieben wieder gerade Vorbereitungen zur Betriebsratswahl statt. Soweit das Gesetz.
Stark abweichende Praxis
In der Praxis gibt es allerdings auch Betriebe, die sich trotz einer
Belegschaftsstärke von weit über 100, wie im Fall der SAP weit
über 9000 Arbeitnehmern
am Standort Walldorf / St. Leon-Rot, keinen Betriebsrat leisten. Dies ist
eine absolute Ausnahme von der Normalität! Die Begründung für
den Verzicht auf die Durchsetzung
der eigenen Rechte ist von Fall zu Fall natürlich sehr unterschiedlich: Es
kann sein, dass die Mehrzahl der Arbeitnehmer von fairer, gleichberechtigter
Partnerschaft mit der Chefetage träumt. Es kann sein, dass sich die
Arbeitnehmer unter Druck gesetzt fühlen, wenn sie ihre Rechte zur
Gründung eines Betriebsrats wahrnehmen. Es kann sein, dass sie nicht
wissen, wie sie von einem Betriebsrat profitieren können oder
meinen zu wissen, dass für sie ein Betriebsrat überflüssig sei.
Und last but not least kann es sein, dass keiner weiß, wie ein Betriebsrat
ins Leben gerufen wird. Zumindest letzteren kann schnell geholfen werden.
Der Urknall
Der Betriebsrat wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt.
Spätestens zehn Wochen vor Ablauf der Amtszeit
des bisherigen Betriebsrats bestellt der amtierende Betriebsrat einen aus
mindestens drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand und einen von
ihnen als Vorsitzenden.
Wenn es überhaupt keinen Betriebsrat gibt - wie z.B. bei der SAP in Walldorf
und St. Leon-Rot, dann wird in einer besonderen Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden
Arbeitnehmer ein Wahlvorstand gewählt. Zu dieser besonderen Betriebsversammlung
können drei beliebige wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs
auf eigene Initiative oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen und
Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands machen. Mit diesem
Schritt ist die Betriebsratswahl eingeleitet.
Wenn also der Wahlvorstand von der Belegschaft auf dieser Betriebsversammlung gewählt wurde, hat er den gesetzlichen Auftrag, die Wahl des Betriebsrats unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und zu guter Letzt das Wahlergebnis festzustellen.
Zwei unterschiedliche Wahlverfahren
Die Wahl
des Betriebsrates kann auf zwei unterschiedliche Weisen erfolgen, je nachdem, wie
einig sich die verschiedenen Bewerber für das Betriebsratsamt sind (KandidatInnen). Am
bekanntesten ist die Mehrheitswahl, die oft auch Personenwahl genannt wird.
Alle KandidatInnen befinden sich hierbei auf einem einzigen Wahlvorschlag (eine Liste). Die
Anzahl der Stimmen eines jeden Wählers, wird durch die Zahl der Beschäftigten eines
Betriebes nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 9 BetrVG) bestimmt. Je größer der
Betrieb ist, desto wahrscheinlicher ist aber eine sog. Listenwahl.
Bei dieser sog.
Verhältniswahl werden mehrere Wahlvorschläge in Form von Listen gewählt. Jeder
Wähler hat hierbei nur eine Stimme, die er einer Liste geben kann. Als Wahlergebnis hat
jede Liste eine Anzahl von Stimmen. Die BR-Mitglieder werden nach d'Hondt ermittelt.
Die Größe des Betriebsrates wird aber unabhängig vom Wahlverfahren einzig
und allein durch die Zahl der Beschäftigten eines Betriebes nach dem § 9 des
Betriebsverfassungsgesetzes bestimmt.
Der Normalfall
Spätestens Ende Mai 2006 tritt dann in den allermeisten Betrieben der Bundesrepublik Deutschland wieder der Normalzustand ein. Der gewählte Betriebsrat handelt - wie auch immer gewählt - als Gruppe. Er ist ein demokratisches Gremium. In seiner Arbeit entscheidet nicht der oder die Einzelne, sondern mehrheitlich die Gruppe. Die Aufgaben des Betriebsrats sind äußerst umfangreich. Auch die ArbeitnehmerInnen der Betriebe, die erstmals einen Betriebsrat gewählt haben, werden erfahrungsgemäß schnell lernen, ihren Betriebsrat zur Stärkung ihrer Informations- und Gestaltungsrechte wirkungsvoll zu nutzen.