BetrVG § 87 - Mitbestimmungsrechte
Betriebsverfassungsgesetz - Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats - § 87 BetrVG
§ 87 BetrVG - Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder
tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
- Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer
im Betrieb;
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich
der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
- vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der
betriebsüblichen Arbeitszeit;
- Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
- Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans
sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für
einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den
beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
- Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die
dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer
zu überwachen;
- Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und
Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der
gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
- Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren
Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern
beschränkt ist;
- Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den
Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines
Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine
Festlegung der Nutzungsbedingungen;
- Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die
Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen
und die Einführung und Anwendung von neuen
Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
- Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer
leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
- Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen.
- Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit;
Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des
betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr
übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit
nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die
Einigungsstelle.
Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und
Betriebsrat.
Anmerkungen (aus der Rechtsprechung):
Direktionsrecht und Mitbestimmung:
Jeder Arbeitnehmer unterliegt aufgrund seines Arbeitsvertrags mehr oder
weniger den Weisungen des Arbeitgebers. Und Arbeitnehmer ist - gemäß
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: " wer auf Grund eines
privatrechtlichen Vertrags (Arbeitsvertrags) im Dienste eines anderen zur
Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher
Abhängigkeit verpflichtet ist " (siehe BAG-Urteil vom 16. Februar
2000 - 5 AZB 71/ 99). Dieses sog. Weisungsrecht des Arbeitgebers, auch
Direktionsrecht genannt, hat nach billigem Ermessen zu erfolgen, soweit nicht
im Rahmen vorhandener Gesetze, gültiger Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
verbindliche Regelungen bestehen. Einseitige Anordnungen per Weisungsrecht des
Arbeitgebers können also nur durch verbindliche Regelungen reduziert werden,
z.B. durch erzwingbare Betriebsvereinbarungen.
Mit dem Arbeitsvertrag stellt der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur
Verfügung. Der Arbeitgeber übt im Rahmen von Gesetzen,
Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sein Direktionsrecht (Weisungsrecht)
aus, indem er Einfluss nimmt auf die Art, den Ort und auf die zeitliche Lage der
Leistungserbringung sowie auf die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer.
Das Direktionsrecht (Weisungsrecht des Arbeitgebers) ist in § 106 GewO
gesetzlich wie folgt geregelt:
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen
näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den
Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren
Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch
hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei
der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen
des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeit selbst bestimmen,
es sei denn, es besteht diesbezüglich eine höherrangige Regelung.
Erst wenn die arbeitgeberseitigen Anweisungen nicht mehr dem "billigen
Ermessen" entsprechen, kann per § 315 BGB dagegen rechtlich vorgegangen
werden.
Fazit: Je weniger Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge
oder Gesetze den Arbeitgeber binden, desto mehr Freiheitsgrade hat er, um bei
den Arbeitnehmern seinen Willen durchzusetzen und einseitige Weisungen nach
"Lust und Laune", also eigenmächtig anzuordnen. Die Abwesenheit von
Tarifverträgen oder das Fehlen von Betriebsvereinbarungen kann somit
jederzeit tiefgreifende Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen zur Folge
haben. Ein guter Betriebsrat hat also die Möglichkeit, durch Wahrnehmung
seiner gesetzlich geregelten Mitbestimmungsrechte (z.B. § 87 BetrVG)
das Direktionsrecht des Arbeitgebers einzudämmen, um durch die Berücksichtigung
der Arbeitnehmerinteressen für mehr Verlässlichkeit und Gerechtigkeit im
Arbeitsleben zu sorgen.
Mitbestimmung bei der betrieblichen Lohngestaltung (Ziffer 10)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der
Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung,
sofern kein Tarifvertrag eingreift, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung
von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen
Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Seine Beteiligung soll die
Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten
Lohngestaltung schützen. Die Mitbestimmung dient der innerbetrieblichen
Lohngerechtigkeit sowie der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des Lohngefüges.
Mit Hilfe des Mitbestimmungsrechts sollen die AN vor einseitig am Interesse des
UN orientierten oder willkürlichen Lohngestaltungen geschützt werden.
Mit der betrieblichen Lohngestaltung ist die Festlegung sämtlicher kollektiver
abstrakter Regelungen für die Entlohnung bzw. Entgeltfindung gemeint, wie z.B. die
Schaffung von Lohn- und Gehaltsgruppen, die Festlegung von Orientierungszielgehältern,
Zielbonus-Sollanteilen oder auch von Vorschriften über die Gewährung und Anrechnung
von (übertariflichen) Zulagen. Es geht um die Strukturformen des Entgelts und die
Grundlagen der Lohnfindung, um die Ausformung des jeweiligen Entlohnungssystems und
damit Festlegung derjenigen Elemente, die dieses System im Einzelnen ausgestalten und
zu einem in sich geschlossenen machen. Gemäß ständiger BAG-Rechtsprechung
widerspräche es dem Zweck des Mitbestimmungsrechts, wenn es dadurch ausgeschlossen
werden könnte, dass der Arbeitgeber mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern jeweils
"individuelle" Vereinbarungen über eine bestimmte Vergütung trifft, ohne sich zu
allgemeinen Regeln zu bekennen (BAG 10. Oktober 2006 1 ABR
68/05 und BAG 29. Februar 2000 - 1 ABR 4/99).
Ein kollektiver Bezug ist insbesondere gegeben, wenn der Arbeitgeber für
die Leistung an eine Mehrzahl von Arbeitnehmern ein bestimmtes Budget vorsieht.