Keine Abmahnung wegen Mitgliederwerbung für die Gewerkschaft
während der Arbeitszeit
BVerfG vom 14.11.1995 1 BvR 601/92 RdW 1996, 406
Werbung eines Gewerkschaftsmitgliedes
Ein Betriebsratsvorsitzender eines Unternehmens händigte während der Arbeitszeit einem Arbeitskollegen ein Infoblatt der von ihm vertretenen Gewerkschaft aus. Der Arbeitgeber wertete dies als Mitgliederwerbung, die er während der Dienstzeit nicht hinnehmen wollte. Er erteilte dem Gewerkschaftler daraufhin eine Abmahnung.
Der Rechtsstreit über die Beseitigung der Abmahnung aus der Personalakte ging bis vor das Bundesverfassungsgericht, das sich gegen die Rechtsauffassung des Unternehmens aussprach. Es wurde damit höchstrichterlich festgestellt, dass das Verhalten des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden ist, d.h. nicht als Vertragsverletzung angesehen werden darf, weil das Verhalten in den Schutzbereich des Grundgesetzes fällt.
Zu dem im Grundgesetz ( Artikel 9 Absatz 3 GG ) verankerten Grundrecht der Koalitionsfreiheit gehört laut BVerfG neben der Freiheit, eine Vereinigung zu bilden, ihr beizutreten oder auch ihr fernzubleiben das Recht, Vereinigungen in ihrem Bestand zu wahren und zu fördern. Dazu gehört nach Auffassung der obersten Verfassungsrichter auch das Recht, Mitglieder zu werben und damit die Grundlage für die Erfüllung der eigentlichen Aufgaben und dem Fortbestand der Gewerkschaften zu sichern.
Nach dieser Entscheidung haben Arbeitgeber derartige Werbetätigkeit ihres Betriebsrates oder sonstiger Gewerkschaftsmitglieder auch während der Arbeitszeit zu dulden.
Siehe Beschluss des BVerfG vom 14.11.1995 1 BvR 601/92 RdW 1996, 406
AG Brandenburg zur eMail-Nutzung
Siehe auch Linkliste unten: Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg zur eMail-Nutzung für Gewerkschaftswerbung v. 1.12.2004 - siehe besonders Seite 11 unten und Seite 12 oben.
Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. ... Sofern sich das beklagte Unternehmer darauf beruft, dass der klagende Arbeitnehmer gegen die bestehende Arbeitsordnung und die darin geregelte Interentnutzung verstieß, sei anzumerken, dass Arbeitsordnungen oder andere Betriebsvereinbarungen nicht in der Lage sind, gewerkschaftliche Betätigungsrechte im Betrieb zu regeln. Dies gilt auch dann, wenn die Einschränkung nur eine mittelbare oder verdeckte ist, weil etwa jede private Nutzung des Internets oder jede arbeitsfremde Information oder jede Werbung verboten sei. Betriebsrat und Arbeitgeber würden sich in einem solchen Fall zu Lasten eines Dritten einigen, was nach geltendem Recht nicht möglich ist. Selbst wenn von einer Zulässigkeit des Eingriffs ausgegangen würde, so ist vorliegend zu beachten, dass der Kläger das Internet nicht für private, sondern für gewerkschaftliche Zwecke nutzte, die durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz geschützt sind. ...
Das Bundesarbeitsgericht zum Thema: Gewerkschaftswerbung per E-Mail
(BAG-Urteil vom 20. Januar 2009)Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist nicht tariffähig.
(Urteil vom 1. April 2009)
Das Berliner Arbeitsgericht zum Thema Tariffähigkeit der Gruppierung CGZPGewerkschaftsGrün verlangt, dass Kommunen, Länder, Bund oder in öffentlicher Trägerschaft befindliche Unternehmen keine Tarifverträge mit Pseudogewerkschaften (z.B. CGB und seine Teilgewerkschaften, CGM, DHV, medsonet) abschließen.
(Beschluss vom 29.3.2009)
GewerkschaftsGrün gegen Tarifverträge mit PseudogewerkschaftenWas ist eine Gewerkschaft?
Auszüge aus höchstrichterlicher, deutscher Rechtsprechung
Anmerkungen zum Grundgesetz
Von der Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Absatz 1 GG (das Recht, sich zu gemeinsamen Zwecken und Zielen zusammenzuschließen und diese gemeinsam anzustreben) zu unterscheiden ist die in Artikel 9 Absatz 3 GG geregelte Koalitionsfreiheit. Sie gewährleistet "jedermann", also nicht nur allen Deutschen, "das Recht, zur Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden". Dieses Recht gilt "für alle Berufe". Weiter heißt es im Grundgesetz: "Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. [...]." Die Koalitionsfreiheit bezieht sich vor allem auf die Gründung und den Bestand von Organisationen, die auf die kollektive Gestaltung des Arbeits- und Wirtschaftslebens gerichtet sind. Geschützt werden daher insbesondere die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände. Ebenso geschützt wird die ihnen zustehende Tarifautonomie. Darunter ist das Recht dieser Organisationen zu verstehen, ohne staatliche Einmischung die Lohn- und Arbeitsbedingungen in Tarifverträgen festzulegen.
Tarifverträge haben:
- eine Schutzfunktion: Sie regeln den Arbeitsmarkt, in dem sie als Kollektivverträge verbindliche Vorgaben für die individuellen Arbeitsverträge machen
- eine Verteilungsfunktion: Sie sorgen dafür, dass die abhängig Beschäftigten an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben
- eine Gestaltungsfunktion: Sie ermöglichen den abhängig Beschäftigten, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen durch Tarifverträge zu regeln, d.h. an der autonomen Regelung der Arbeitsbedingungen beteiligt zu sein
- eine Kartellfunktion: Sie schaffen einheitliche Wettbewerbsbedingungen bei den Arbeitskosten.
In Ausfüllung des Artikel 9 Absatz 3 GG wird die Tarifautonomie durch das Tarifvertragsgesetz (TVG) formal geregelt. Das Tarifvertragsgesetz enthält Bestimmungen darüber, wer Tarifverträge abschließt, in welcher Form sie abgeschlossen werden und welche Auswirkungen sie haben.